BGM 05/2015 - Psychische Gefährdung am Arbeitsplatz - Teil 2

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21. Juli 2019   |   MEHRWERT   |   Kategorien: Allgemein

Im vorangegangenen Blogbeitrag wurde aufgeführt, welche Belastungen in der Arbeitswelt auf die Psyche der Mitarbeiter einwirken und ihn psychisch beanspruchen. Wichtig ist es, noch einmal hervorzuheben, dass jeder Mitarbeiter die auf ihn einwirkenden Einflüsse und Belastungen anders verarbeitet.

Doch gerade diese individuell unterschiedliche Beanspruchung macht es schwer die Belastungen für die Psyche der Mitarbeiter in der Arbeitswelt messbar und dadurch vergleichbar zu machen.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) hat ein Toolkit veröffentlicht, das 93 Messverfahren auflistet, die allesamt zur Beurteilung der individuellen psychischen Beanspruchung, der sogenannten Psychischen Gefährdung der Mitarbeiter herangezogen werden könnten. Eine Vergleichbarkeit der Psychischen Gefährdung der Mitarbeiter ist somit, wenn überhaupt, nur im Rahmen ein und desselben Testverfahrens möglich. Um Betriebe trotzdem dazu zu bringen die Psychische Gefährdung ihrer Mitarbeiter beurteilen zu lassen, wurde 2013 das Arbeitsschutzgesetz um den Begriff der Psychischen Gefährdungsbeurteilung erweitert und in entsprechenden Teilen geändert.

Die Änderungen des Arbeitsschutzgesetzes im Einzelnen

Die Klarstellung, wonach Arbeitgeber auch zur Gefährdungsbeurteilung von psychischen Belastungen verpflichtet sind, ergibt sich zunächst aus § 4 (Allgemeine Grundsätze) Nr. 1 ArbSchG:

„Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.“

Darüber hinaus heißt es jetzt in § 5 (Beurteilung der Arbeitsbedingungen) Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG:

„Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch […] psychische Belastungen bei der Arbeit.“

Gestrichen wurden in § 6 (Dokumentation) Abs. 1 ArbSchG die Sätze 3 und 4, so dass nun auch Kleinbetriebe ab einem Mitarbeiter der Dokumentationspflicht unterliegen.

Der Gesetzgeber gibt den Betrieben einen Rahmen, aber auch bewusst einen großen Spielraum für die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung in der Praxis. Ziel ist es, dass jedes Unternehmen diese Gefährdungsbeurteilung in der Praxis auch wirklich durchführen kann und ein Unternehmen nicht durch individuell unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen an der Umsetzung der Gesetzesvorgaben gehindert wird. In §13 Abs. 2 ArbSchG wird explizit darauf hingewiesen, dass die Unternehmen für Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zuverlässige und fachkundige Personen – auch externe Dienstleister und Beratungsunternehmen – beauftragen können. Die Verantwortung für die psychische Gefährdungsbeurteilung der Mitarbeiter im Arbeitsumfeld liegt jedoch weiterhin beim Unternehmen.

Als Hilfestellung für die Unternehmen bei der Auswahl der entsprechenden Maßnahmen, Analyseverfahren und der externen Dienstleister sowie als Leitfaden für die Umsetzung in der Praxis können folgende acht Punkte dienen.

  1. Einbindung in vorhandene Strukturen

Die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastungen sollte in bereits vorhandene Strukturen eingebunden werden. Wird die psychische Gefährdungsbeurteilung extern beauftragt, sollte darauf geachtet werden, dass die Analyse in Absprache mit z.B. dem Arbeitsschutzbeauftragten, dem Betriebsarzt oder der Personalabteilung erfolgt. So wird gewährleistet, dass vorhandene Erkenntnisse aus den Bereichen Arbeitsschutz oder der physischen Gefährdungsbeurteilung in die Analyse mit einfließen können.

  1. Festlegung gleichartiger Arbeitsplätze und Tätigkeiten

Die Gefährdungsbeurteilung ist je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen genügt jedoch die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit, § 5 Abs. 2 ArbSchG.

Konkret bedeutet dies, dass der Arbeitgeber nicht jeden einzelnen Arbeitsplatz beurteilen muss, sondern sich auf eine Beurteilung von Gruppen von Arbeitsplätzen bzw. Tätigkeiten beschränken darf. Es reicht aus, wenn die wesentlichen Arbeitsbedingungen übereinstimmen – Einzelheiten müssen nicht zwingend erfasst werden.

  1. Erfassung der Belastungen

Da psychische Belastungen nicht mit Geräten messbar sind, können die Beschäftigten nur befragt, beobachtet oder interviewt werden. In kleineren Betrieben mit 10 bis 15 Beschäftigten könnte die Erfassung auf Diskussionsbasis, etwa in Workshops erfolgen. Erfasst werden sollten „Belastungen“ (Tätigkeitsmerkmale), nicht aber „Beanspruchungen“ (Wirkungen der Tätigkeitsmerkmale).

Die Erfassung kann im orientierenden Verfahren, Screening-Verfahren oder Experten-Verfahren erfolgen. Es empfiehlt sich hier ein gestuftes Vorgehen. Zunächst sollte im orientierenden Verfahren geprüft werden, ob Belastungen vorhanden sind. Ist das der Fall, erfolgt das Screening- und ggf. danach das Experten-Verfahren.

Wichtig ist, dass die Belegschaft von vornherein über die Erfassung informiert wird, um mögliche Ängste oder Abneigungen abzubauen und eine positive Grundeinstellung herbeizuführen. Zudem sollten die Erfassungen anonym erfolgen.

  1. Bewertung der Belastungen

Die Auswertung der Fragebögen und damit die Bewertung der Belastungen sollte idealerweise von einem externen darauf spezialisierten Unternehmen durchgeführt werden. Dabei empfiehlt es sich, im Vorfeld festzulegen, ab wann Maßnahmen als Folge der Auswertung ergriffen werden sollen. Das kann der Fall sein, wenn z.B. zwei Drittel oder die Hälfte der Belegschaft eine bestimmte Belastung angeben. Eine weitere Variante wäre, dass man festlegt, zunächst die drei meist genannten Belastungen abstellen zu wollen.

  1. Maßnahmen und deren Umsetzung

Sollen Maßnahmen zur Abstellung der psychischen Belastungen ergriffen werden, kann dies in Kleingruppen mit 10 bis 12 Teilnehmern erarbeitet werden. Die Gruppen können vom Abteilungsleiter oder – falls Spannungen zwischen Abteilungsleiter und Mitarbeitern bestehen – von einer externen Person moderiert werden.

In der Praxis finden sich manchmal unkonventionelle Lösungen, wie folgende drei Beispiele zeigen:

  • Einführung von Videokonferenzen, um die Belastung durch Dienstreisen zu reduzieren
  • Einführung von Sprechzeiten bzw. Zeiten der Nichterreichbarkeit für bestimmte Mitarbeiter, um Belastungen durch Unterbrechungen der zu erledigenden Arbeiten in Form von ständiger Ansprechbarkeit zu unterbinden
  • Einrichtung eines „stillen Büros“, indem etwa Berichte oder andere schriftliche Arbeiten ohne Belastungen durch Unterbrechungen in Form von Telefonanrufen u. ä. erstellt werden können
  • Abschalten des Betriebsservers, so dass E-Mails wirklich nur während der Arbeitszeit empfangen und beantwortet werden können
  1. Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen

Ob und inwieweit die ergriffenen Maßnahmen gegen die psychischen Belastungen wirksam sind, ist vom Arbeitgeber zu überprüfen. Für die Wirksamkeitskontrolle empfiehlt es sich das ursprüngliche Verfahren zur Erfassung der Belastungen zu wiederholen. Ebenso könnten neue Fragebögen erstellt werden (ankreuzen, ob Maßnahmen hilfreich, weniger hilfreich oder unzureichend sind) oder die Mitarbeiter um eine schriftliche Rückmeldung zu ihrer Wahrnehmung des Erfolgs der Maßnahmen gebeten werden.

  1. Dokumentation

Der Arbeitgeber muss das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastungen, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung dokumentieren. Diese fest vorgegebene Pflicht ergibt sich aus § 6 Abs. 1 ArbSchG. Diese Unterlagen können vom zuständigen Gewerbeaufsichtsamt bzw. dem Staatlichen Amt für Arbeitsschutz angefordert und kontrolliert werden.

Zudem können Krankenkassen die Kosten für die Behandlung psychischer Erkrankungen in Folge der Arbeitsbelastungen auf das Unternehmen abwälzen, wenn keine psychische Gefährdungsbeurteilung erfolgt ist, bzw. diese nicht ausreichend dokumentiert wurde.

  1. Beteiligung des Betriebsrats

Existiert ein Betriebsrat, hat dieser bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ein Mitbestimmungsrecht, § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dieses erstreckt sich auch auf die Art und Weise der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen.

Doch wie sieht nun die Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung in der Praxis aus?

Dieser Frage widmen wir uns in Blogbeitrag „Arbeitsschutzmaßnahme Psychische Gefährdungsbeurteilung Teil 2“. Im nächsten Blogbeitrag möchten wir einen kurzen Leitfaden für die Durchführung einer Psychischen Gefährdungsbeurteilung in der Unternehmenspraxis vorstellen.

 

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