BGM 06/2015 - Psychische Gefährdung am Arbeitsplatz - Teil 3

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22. Juli 2019   |   MEHRWERT   |   Kategorien: BGM

In den vorangegangenen Blogbeiträgen wurde bereits dargestellt, welche Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt auf die Psyche eines Mitarbeiters einwirken können und inwieweit der Gesetzgeber den Unternehmen Rahmenbedingungen vorgibt, den Mitarbeiter vor diesen Psychischen Gefährdungen zu schützen. Es wurde unter anderem aufgezeigt...

...worauf Unternehmen bei der Auswahl geeigneter Analyseverfahren zur Messung und Erfassung der Psychischen Gefährdung ihrer Mitarbeiter achten sollten. Am Ende stand die Frage: „wie nun die Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung in der Praxis aussieht?“.

Der folgende Praxisleitfaden zur Einführung einer Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastungen liefert einen guten Überblick darüber, welche Schritte und Maßnahmen erforderlich sind, die psychische Gefährdungsbeurteilung in einem Unternehmen zielgerichtet durchführen zu können.

Phase 1 – Bestandsaufnahme und Status Quo

Um sich einen Überblick über die Gesamtsituation im Unternehmen zu verschaffen, sollten unterschiedlichste Informationen gesammelt und gemeinsam mit den Personalverantwortlichen - wie z.B. Personalabteilung, Betriebsrat - Belastungsursachen und unternehmensspezifische Arbeitsbereiche identifiziert werden. Um sich einen ersten Eindruck zu psychischen Belastungen im Unternehmen zu verschaffen sollten möglichst viele Daten wie z.B. Kennzahlen der letzten Mitarbeiterbefragung, Krankenkassenberichte oder Auswertungen von Beurteilungsgesprächen herangezogen werden.

Phase 2 – Arbeitsplatzbegehungen

Um sich einen ersten allgemeinen Eindruck von den psychischen Anforderungsaspekten der unterschiedlichen Arbeitsplätze zu verschaffen, sollte eine zu Beginn eine aufgabenspezifische und tätigkeitsspezifische Unterteilung der Arbeitsplätze vorgenommen werden. Hierfür eignet sich eine Arbeitsplatzbegehung, die es genau zu protokollieren gilt.

Phase 3 – Mitarbeiter-Interviews

Im Rahmen der Mitarbeiter-Interviews sollten nun geschulte Experten für die Beurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz standardisierte leitfadengestützte Interviews durchführen. Hierzu sollten im Interview Fragen zu folgenden Kategorien für mögliche psychische Belastungen abgefragt werden:

      1. Handlungsspielraum

 

      1. Vielseitigkeit

 

      1. Ganzheitlichkeit

 

      1. Soziale Unterstützung

 

      1. Kooperation

 

      1. Arbeitsanforderungen

 

      1. Arbeitsmenge

 

      1. Arbeitsabläufe

 

      1. Arbeitsumgebung

 

      1. Informationsfluss

 

      1. Mitsprache/ Mitbestimmung

 

      1. Entwicklungsmöglichkeiten

 

 

Um einen Verzerrung der Aussagen und damit der Ergebnisse zu verhindern sollten diese Interviews von geschultem Personal durchgeführt werden. Viele Unternehmen entscheiden sich aus diesem Grund externe Spezialisten hierfür einzusetzen. Die Praxis hat gezeigt, dass die Akzeptanz der Befragungen und der Ergebnisse deutlich größer ist, wenn diese von externen und unabhängigen Dienstleistern durchgeführt werden.

Phase 4 – Experten-Interviews

Diese spezielle Form der Interviews sollten mit den Verantwortlichen in den Unternehmen durchgeführt werden, die einen näheren Bezug zum Thema psychische und körperliche Gesundheit haben, wie z.B. Betriebsarzt, Schwerbehindertenvertretung, arbeitspsychologischer Dienst, Personalreferenten, Personalleitung, Betriebsrat.

Hier empfiehlt es sich ebenfalls einen speziell dafür entwickelten standardisierten Fragebogen zu verwenden, so dass die Ergebnisse der Interviews später z.B. mit den Ergebnissen einer Mitarbeiterbefragung zu psychischen Belastungen statistisch verglichen werden können. Die Expertenbefragungen sind sinnvoll, da die interbetrieblichen Gesundheitsspezialisten sehr differenzierte Blickwinkel auf psychische Belastungen am Arbeitsplatz haben und ihre Erfahrungen dazu beitragen können spezielle Handlungsfelder und Aufgabenbereiche zu identifizieren. Darüber hinaus steigert diese Vorgehensweise die Akzeptanz der genannten Personengruppen für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse durch externe Dienstleister.

Phase 5 – Mitarbeiterbefragung zu psychischen Belastungen

Die Mitarbeiterbefragung zum Thema „psychische Belastungen“ stellt meist das Kernstück der Gefährdungsbeurteilung dar. Diese kann mit einem von Hand ausgefüllten Fragebogen oder als Online-Befragung durchgeführt werden. Je nach Unternehmensstruktur und Arbeitsbereichen gibt es Vor- und Nachteile der beiden Befragungsformen. Wichtig ist hierbei, dass die Befragung im Rahmen der Arbeitszeit und ohne großen Mehraufwand für die Mitarbeiter erfolgt. So wird die Chance auf eine positive Rücklaufquote erhöht.

Für die Durchführung der Mitarbeiterbefragung können je nach Branche und Unternehmensschwerpunkt unterschiedliche Messinstrumente eingesetzt werden. Bei der Auswahl eines geeignet Messinstrumentes sollte auf folgende Qualitätskriterien Wert gelegt werden.

Das Messinstrument, die Analysemethode

ist anpassbar an Zielgruppe, Tätigkeit, Betriebsgröße
ermöglicht Gesamtbeurteilung und berücksichtigt Belastungskombinationen,
ist systematisch mit nachvollziehbaren Beurteilungskriterien,
bezieht sich auf Sollvorschriften,
ist arbeitswissenschaftlich geprüft, standardisiert,
und bietet Ansatzpunkte für Maßnahmen der Verbesserung.

Phase 6 – Erstellung der Gefährdungsbeurteilung für „Psychische Belastungen“

Nachdem die Mitarbeiterbefragung durchgeführt und ausgewertet wurde, lassen sich daraus bestimmte Belastungsursachen und spezielle Belastungsbereiche in Ihrem Unternehmen identifizieren. Diese werden, inklusive aller Ergebnisse der vorgenommenen Untersuchungen, in einem schriftlichen Bericht zusammengefasst. Im Einzelnen sind dies die unter Phase 2 bis 5 genannten Analysemethoden der Arbeitsplatzbegehung, der Mitarbeiter-Interviews, der Experten-Interviews sowie der Mitarbeiterbefragung zu „psychischen Belastungen“. Des Weiteren sollten in diesem Bericht Arbeitsaufgaben und Arbeitsbereiche mit spezifischen Belastungsprofilen gesondert erwähnt werden. Aufgeführt werden die identifizierten Ursachen der psychischen Belastungen sowie Empfehlungen von Maßnahmen zur nachhaltigen Senkung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz.

Phase 7 – Kommunikation der Ergebnisse

Nachdem der Bericht zur Gefährdungsbeurteilung den Verantwortlichen im Unternehmen vorgestellt wurde, ist es besonders wichtig, die Ergebnisse ebenfalls an die Mitarbeiter zu kommunizieren. Ohne die Veröffentlichung der Ergebnisse für die Mitarbeiter riskiert man das Instrument der Mitarbeiterbefragung zu verbrennen. Dies kann dazu führen, dass die Teilnahmequote an Mitarbeiterbefragungen im Unternehmen sinkt und bei weiteren Befragungen keine aussagekräftigen Ergebnisse mehr erzielt werden können.

Phase 8 – Maßnahmen zur Senkung der psychischen Belastungen

Aus den Ergebnissen der Analysen werden nun konkret Maßnahmen abgeleitet um die psychische Belastung am Arbeitsplatz in den kritischen Bereichen zu senken. Für die Auswahl der Maßnahmen sollten alle befragten Parteien wieder mit ins Boot geholt werden. Denn die Maßnahmen sollten bezahlbar, im Unternehmen sowie dem Arbeitsalltag umsetzbar sein und gleichzeitig sollten sie von den Mitarbeitern anerkannt und Wert geschätzt werden.

Wichtig ist es, allen Beteiligten zu vermitteln, dass die Maßnahmen zielgerichtet ausgewählt und umgesetzt werden. Es sollte deutlich werden, dass eine spezifische Gefährdung eine speziell dafür ausgewählte Maßnahme zur Minderung dieser einen Gefährdung erfordert.

Nachbearbeitung der Arbeitsschutzmaßnahme der Psychischen Gefährdungsbeurteilung

Phase 8 umfasst alle Maßnahmen zur Reduzierung der zuvor erfassten psychischen Belastungen. Im Nachgang der erfolgten Gefährdungsbeurteilung sowie der Maßnahmenumsetzung sollte der gesamte Prozess der Gefährdungsbeurteilung (Phase 1 bis Phase 7) sowie die anschließende Umsetzung der Gegenmaßnahmen evaluiert werden. Hier geht es zum einen darum, zu beurteilen, ob der Prozess zielgerichtet ablief und er für das Unternehmen umsetzbar war. Zum andern sollte der Erfolgt – oder Misserfolg – der umgesetzten Gegenmaßnahmen gesondert beurteilt werden. Diese Beurteilung lässt sich auf die Frage „Konnte die Psychische Gefährdung der Mitarbeiter durch die Maßnahmen gesenkt werden?“ reduzieren. Beantworten lässt sich diese Frage am ehesten durch eine erneute Psychische Gefährdungsbeurteilung nach dem bereits vorgestellten Schema. Diese regelmäßige Wiederholung, bzw. Erneuerung der Psychischen Gefährdungsbeurteilung ergibt auch aus Sicht der Unternehmen Sinn. Mitarbeiterfluktuation, neue Geschäftsfelder, veränderte Fertigungstechniken und Betriebsabläufe oder sogar ein Standortwechsel verändern im laufenden Unternehmensbetrieb ständig die Einflüsse und Belastungsfaktoren für die Psyche der Mitarbeiter – so dass es sich lohnt die Gefährdung der Psyche der Mitarbeiter regelmäßig neu festzustellen.

Autor: Christoph Lenz, Projektmanager BGM/H2H

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